Wind und Sturm, Regen und Schnee beim Märzurlaub im Berner Oberland.

So habe ich dann aufgeschrieben, wie es einem Skifahrer wirklich ergeht. Der Bericht:

Der Skifahrer

(Bericht eines Osterschweiztouristen)

Groß sind die Mühen und vielfältig die Gefahren denen sich ein Skifahrer aussetzt. Jeder weiß um die Beinbrüche. Waren es ehemals die Knöchel sind es jetzt, dank teurer Skistiefel, die Kniereparaturen, die den Spitälern Geld in die Kasse bringen.

Als es sich herumsprach, dass der Skifahrer Ostern noch einmal los wollte, kamen schnell die ersten Warnmeldungen. Am Schilthorn beim Infernorennen die Hand gebrochen. Nun, da wollte ich ja auch nicht hin. Das überlasse ich besser dem James Bond, der da schon herumgeturnt ist. Zweite Meldung: Mann um die siebzig, nur umgefallen und schon den Hüftknochen gebrochen. Dann auch noch eine besonderer Bruchmeldung: Das Schambein gebrochen. O weh! O weh! Wer will dann noch in die Berge.

Doch beim Schambeinbruch sind schon leichte Zweifel angebracht. Ist das nicht doch vielleicht bei anderer heftiger Tätigkeit passiert? Sollte diese Aktion jetzt nicht nur verschleiert werden? Die Meldung kam aus dem Rheinland. Da sollen sie die Wahrheit so biegen, wie sie sie brauchen.

Die Nachrichten von den vielen Brüchen nicht beachtend und auch wieder besseres Wissen um den Osterreiseverkehr macht sich der Skifahrer acht Tage vor Ostern auf die Reise in die schweizer Berge in das schöne Berner Oberland. Statt vier Stunden benötigt er sieben. Jeden Zentimeter Autobahn galt es, sich nach vorn zu kämpfen. Zur Belohnung gab es dann in der Stadt der Alpen, in Thun, ein Kotelett. Das Schweinskotelett hatte leider nur die Größe eines Lammkoteletts. Ein Hinweis auf das bevorstehende Osterfest? Wo bekommen die Schweizer nur die kleinen Schweine her?

Das Osterwetter liefert eine Serie. Während acht Tagen Regen und Schnee, Wind und Sturm. Im schweizer Fernsehen versucht der Skifahrertourist mit geringer Hoffnung, dem Wetterbericht etwas Erfreuliches abzugewinnen. Doch schon der Bericht ist nicht zu verstehen. Die Bääler rattert da im Dialekt im Maschinengewehrtempo die Voraussagen herunter, dass dem Touristen das Wetter plötzlich ganz egal wird.

Was bleibt dem Skifahrer? Er probiert seine Skistiefel dann einmal in der Wohnung an. Arg unbequem ist selbst das Laufen auf dem Teppich. Immerhin, damit hat er schon eine gute Leistung vollbracht und kann beruhigt sich weiteren Computeraktivitäten widmen.

Am neunten Tag entgegen allen verstandenen schweizerischen Wettervorhersagen Aussicht vom Thunersee das ganze Kandertal hinauf bis zum Mittaghorn. Alle Gipfel zum Greifen nahe. Skifahrer los! Doch am Abend vorher Nassschnee, jetzt morgens 10 Grad minus. Trotz fürsorglicher Abdeckung des Autos durch den Vermieter gilt es zuerst, große Eisbrocken vom Fahrzeug zu entfernen. Dann sammeln: Handschuhe, Mütze, Brille, Geld, Ausweis und los.

Auf dem Adelbodensträßchen Sonnen- und Schattenseiten. Zuerst nur Sonnenseiten. Die Fahrbahn ist frei. Dann die Schattenseiten. Der Nassschnee hat sich festgefahren, in spiegelblankes Eis verwandelt. An der Elsigabzweigung kommt einer rückwärts hinaus. Selbst mit weniger als fünfunddreißig ist die Karre des Skifahrers nicht zum Stehen zu bringen. Hupen und Augen zu. Der Skifahrer hatte Glück. Da wird der Verantwortliche für den Räum- und Streudienst Frutigen - Adelboden die Bääler wohl auch nicht verstanden haben. Die Erfahrung hat den Streudienst aber für den nächsten Tag aktiviert. Salz von Frutigen bis Adelboden.

Dann sitzt der Skifahrer in der Gondel. Kaum gestartet stockt sie. Dann geht es weiter, dann steht sie wieder still. Dreizehn Grad minus machen sich langsam bemerkbar. Links hinunter sind es sicher zehn Meter. Es geht weiter. Wieder Stillstand. Es wird kühl, der Skifahrer schließt langsam alle Jackenknöpfe. Rechts neben ihm eine junge Frau. Sollte er da näher heranrücken um Wärme zu sparen? Anfahren, stocken, es wiederholt sich. Vor der Bergstation läuft die Bahn noch einmal langsam. "Da sollte einer heraus und schieben", sagt der Skifahrer. Alle vier mitfahrenden Schweizer lächeln höflich. Ob einer ihn verstanden hat?

Tatsächlich! Die ankommenden Gondeln werden nicht richtig weiter transportiert. Ein kräftiger Mann zieht sie in den Umlauf.

Die weitere Herausforderung für den Skifahrer, die Adelbodenbahn endet nicht im Hauptskigebiet. Ein schmaler Zubringerweg von etwa zwei Kilometern ist zu überwinden. Bei guten Bedingungen leicht, wenn nicht alle anderen Skifahrer da auch hinüber wollten. Bei stumpfen Schnee oder Wind von vorn haben sich besonders die Snowbordfahrer da arg zu plagen.

Entgegen allen Widrigkeiten steht der Skifahrer doch endlich auf dem Laveygrat am Rand der Skipiste. Halb links von ihm geht es etwa 300 Meter zum Hahnenmoospass hinunter. Rechts sieht er wohl 1000 Meter "in die Lenk". Vor ihm auch fast so etwa wie Abgrund. Links und rechts stürzen sich ganze Gruppen in die Tiefe. Der Skifahrer, noch sehr unentschlossen, betrachtet angelegentlich die prächtigen Berge gegenüber. Wildstrubel, Steghorn, Lohner, Bonderspitz, First, Elsig- und Ärmighorn. Er kann sie nicht nur alle benennen, er kann von jedem Gipfel ein Gipfelfoto vorzeigen. Doch das nutzt ihm jetzt nichts. Es bleibt keine Wahl. Er muss hinunter!

Die guten achtzig Kilo des Skifahrers beschleunigen schnell, viel zu schnell. "Fast senkrecht geht es hinunter", meint er. Doch dann hat der Skifahrer Glück. Die Piste flacht ein wenig ab. Es gelingen ihm die ersten Böglis und er "schwebt" *) auf beispielhaft gut präparierten Pisten über den Hahnenmosspass, am Brengenmäder vorbei, durch die endlich nach Jahren entschärfte Engstelle nach Metsch hinunter.

Im Nachwort dann noch: An der Adelbodner-Lenker-Skipistenpflege könnten sich selbst die Grindelwaldler noch eine Scheibe abschneiden. Halt, da ist ein kleines L zu viel. Grindelwaldler klingt wie Hinterwäldler. Das wäre eine ungewollte Herabsetzung. Also Grindelwalder schaut euch einmal die Skipisten am Hahnenmoospass an! Doch das "Dänken" (Anmerkung: Schweizter Schriftgut) sollte ihr von dort besser nicht übernehmen.

Ein Skifahrer

Reichenbach im Kandertal im März 2008

*) Die ganze Wahrheit: ... "schwebt" bei mehr als zehn Grad minus mit langsam erstarrenden Gesichtszügen und dem Gefühl, dass die rechte Kniescheibe hinaus will ...

Ergänzung zum Dänken:

Wenn 1944 die britischen Bomber in kaum zählbarer Zahl am Himmel erschienen, acht war ich da wohl, sagte die aus der Ukraine nach Deutschland verschleppte Magd Nadja jeweils: "Krieg zu Ende, Deitschland Steine klopfen". "Deutschland heißt das", habe ich gesagt. "Deitsche Sprache schwärre Sprache", antwortete sie

Bei diesem Skiurlaub wäre es (auch) für mich besser gewesen, auf der Kohlenkiste am warmen Herd sitzenzubleiben.

zurück >>>